Landtagsrede Dr. Walter Laki – Mittwoch, den 19. Juni 2013 – 01

Sitzungsbericht 01

3. Sitzung der Tagung 2013/14 der XVIII. Gesetzgebungsperiode

des Landtages von Niederösterreich

Mittwoch, den 19. Juni 2013

Abg. Dr. Laki (FRANK): Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Landtag! Sehr geehrter Herr Lan­deshauptmann! Mitglieder der Landesregierung! Sehr geehrter Finanzreferent!

Vorher ein Wort zum Klubobmann Waldhäusl. Ich glaube, wir sind auf Basis des österreichischen Verfassungsrechtes, das freie Mandat, das steht ja einem jeden zu und das üben wir aus. Der Klub­ zwang ist zwar üblich, aber ist eigentlich nicht Ver­fassung.

Aber jetzt zu unserem Thema, zur Budgetde­batte. Wir haben natürlich verschiedene Kritik­punkte gesehen im Rahmen des Budgets. Denn wenn es gute Finanzen gibt, dann kann man natür­lich viel machen für die Familien, für die Jugend, für die Ausbildung, für die Senioren und verschiedenes mehr. Und die Basis sollte natürlich im Haus, in Niederösterreich, aber auch in allen anderen Bud­gets geschaffen werden. Wir haben natürlich auch gesehen, wie die Zeitung „Presse“ schreibt „Nie­derösterreich zapft Reserven“ an. Auch 2014 wird das Land mehr ausgeben als einnehmen. Scharfe Einsparungen in einzelnen Ressorts und massive Umschichtungen sieht das Budget nicht vor. Ich nutze aber die Gelegenheit, die heutige Budgetdebatte 2014, zu begründen, weshalb es

nicht reicht, den jetzigen Pfad, der eigentlich seit 40 Jahren besteht, fortzusetzen. Es sind drei Punkte für gesunde Finanzen, die ich meine, die zu be­rücksichtigen sind. Es ist einerseits die Verwal­tungsreform betreffend die teuren außerbudgetären Verwaltungseinheiten. Die gehören unbedingt in den Kosten reduziert und als Ganzes reduziert um Transparenz zu schaffen.

Zweitens natürlich der gesamte spekulative Bereich. Es sind natürlich im Haushalt die Jahres­umsätze verbucht, insbesondere bei den Derivativ­geschäften. Eine Aufstellung, eine Vermögens­rechnung, gibt es also nicht. Da haben wir erhebli­che Blackbox-Sorgen drinnen, weil, was man in Salzburg erlebt hat, das hoffe ich, nirgends mehr in der Republik zu erleben. Aber Kontrolle ist da na­türlich sehr gefragt.

Und drittens: Dieser Budgetpfad geht in allen Ländern weiter, die nicht eine Schuldenbremse eingeführt haben. Die Schweizer, die Deutschen haben das eingeführt und bis zur Ära Kreisky hat­ten wir auch in Österreich eine Schuldenbremse. (Abg. Razborcan: Dann ist der Aufschwung ge­kommen!)
Na ja, der Aufschwung ist an und für sich schon vorher gekommen. Und ich glaube, dass die Schweizer, die jetzt das Budgetdefizit reduzieren, nicht von einem Abschwung reden können. Ich komme noch darauf zurück, dass diese Schulden­entwicklung nicht unendlich geht.

Aber zu den internationalen Rahmenbedingun­gen der letzten Jahre: Die spielen natürlich auch in Niederösterreich hinein, das kann man natürlich nicht übersehen. Vor zwei Jahren stand der Euro-Raum vor dem Zusammenbruch, nicht zuletzt we­gen der Schuldenkrise. Die öffentlichen Schulden in den reichen Ländern befinden sich in einem so hohen Stand wie in Kriegszeiten, sagt die Chefin des internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde. Und die weiß, wovon sie spricht. Die im­mense Verschuldung der öffentlichen Haushalte sei laut IWF die größte Gefahr für die Weltwirtschaft. Bereits jetzt sollen die Schulden im Schnitt 110 Prozent des BIP betragen.

In Österreich betragen die Schulden inklusive der grauen Finanzschulden in der Gegend schon um 90 Prozent des BIP und ich glaube, das ist schon eine sehr hohe Quote.

Ein Hinweis noch: Der Ökonom Reinhart Rogoff zeigt in einer Untersuchung aus 2010 eine verehrende Folge für überschuldete Volkswirt­schaften. Bei staatlichen Schuldenstandsquoten von 90 Prozent ist die Wachstumsrate des BIP durchschnittlich 4 Prozentpunkte niedriger als bei niedrigeren Schuldenstandsquoten. Wird nicht ge­handelt, wird die Zinslast immer höher, die politi­sche Handlungsfähigkeit immer kleiner, die Kon­junktur immer schlechter. Und die Arbeitslosigkeit höher! (Beifall bei Abg. Naderer.)

Und genau diesen Punkt haben wir jetzt. Jetzt müssen wir entscheiden, welche Wegkreuzung wir gehen. Wir stehen im Augenblick wirklich knapp davor. Diese Entscheidung müssen wir treffen.

Aber kommen wir zu Niederösterreich. Natür­lich zeigt der Voranschlag des Landes ein struktu­relles Defizit und neue Höchststände. Anerkann­terweise kommen natürlich die Defizite deutlich zurück, was natürlich auch zu betonen ist. Hier gibt es aber einige Punkte, die man natürlich bei einer Analyse betrachten muss. Einerseits ist das die Flucht aus dem Budget und andererseits ist das natürlich die Verquickung mit den Gemeindebud­gets und den untergeordneten Körperschaften.

Der Transferbericht des KDZ in Zusammenar­beit mit dem österreichischen Städtebund weist nach, dass auf Ebene der Länder und Gemeinden 52.000 Transferbeziehungen abgewickelt wurden mit Transaktionskosten von 100 Millionen Euro. Und weiter wird ausgeführt, dass in den letzten 10 Jahren die Nettotransferzahlungen der Gemeinden an die Länder von 404 auf 1.171 Millionen Euro pro Jahr gestiegen sind. Der Verdreifachung der Transfers steht ein Anstieg der Gemeindeertrags­anteile von lediglich 30 Prozent gegenüber.

Im Jahr 2002 mussten die Gemeinden 30 Pro­zent der Ertragsanteile an die Länder zurückgeben, 2011 waren es bereits 40 Prozent. Daran sieht man schon, dass diese Budgets des Landes und der Gemeinden wie kommunizierende Gefäße funktio­nieren. Durch die vielfältigen Transferbeziehungen zwischen den Ländern und den Gemeinden entste­hen nicht mehr nachvollziehbare Umverteilungsef­fekte. Es kommt zu Verstößen gegen das Prinzip der Autonomie sowie der Konvexität von Aufgaben und Finanzierungsverantwortung.

Im Hinblick auf die Ausführungen des KDZ habe ich mir die Nettotransfers in Niederösterreich genau angesehen. Und zwar im Hinblick auf den Gemeindeförderungsbericht. Und da ist es eben­falls zu massiven Verschiebungen gekommen von den Gemeinden zu den Ländern. Seit 1995 entwi­ckeln sich die Transfers schleichend aber stetig zugunsten des NÖ Landesbudgets. Der Nettosaldo zwischen gegebenen und erhaltenen Transfers betrug zugunsten des Landes in diesem Zeitraum immerhin 3,17 Milliarden. Das muss den Bürger­meistern in unserem Haus zu denken geben, denn die haben immer mehr Finanzprobleme und sind gezwungen, Ausgliederungen vorzunehmen. Aus­gliederungen in hohem Maße!

Im Jahr 2011 betrug dieser Transfer von den Gemeinden zum Land, der Nettotransfer, 368 Milli­onen Euro. Das ist ein erheblicher Betrag, der ist wesentlich höher als das ausgewiesene Defizit. So gesehen muss man erkennen, dass eigentlich durch diese Transfers auch eine Schuldenver­schiebung hin zu den Gemeinden stattfindet.

Und dort kommen wir zum nächsten Problem. Nämlich, dass also die Gemeinden, wenn sie hier ein Problem haben, die Schulden zu finanzieren, den Weg der Ausgliederung gehen. In Österreich haben wir in der Größenordnung von 3.000 Aus­gliederungen solche außerbudgetäre Einheiten. Niederösterreich ist in etwa mit 300 Ausgliederun­gen vertreten. Man kann wohl sagen unterdurch­schnittlich, aber immerhin beträchtlich. Und bei diesen Ausgliederungen kommt es natürlich zu erheblichen Kontrolldefiziten, zu erheblichen De­mokratiedefiziten und zu erheblichen, zusätzlichen Kosten, die in der Zukunft meiner Meinung nach einzusparen wären.

Darüber hinaus haftet natürlich für diese Ge­sellschaften die öffentliche Hand. Sowohl für die Schulden, für die gesamte Gebarung, aber auch für die Geschäftsführung. Und dazu kommt ein nächster entscheidender Punkt, der sehr problema­tisch ist bei der Beurteilung der gesamten Finan­zen. Nämlich das Maastricht-Defizit und die Maastricht-Verschuldung. Das ist eine Pseudo­kennzahl, die eigentlich keine Dokumentation und Steuerfunktion wahrnimmt, weil hier nur ein Teil der öffentlichen Hand, der öffentlichen Schulden, des öffentlichen Defizits erfasst ist.

Neuerdings wurde diese Definition wiederum geändert. Der Schuldenstand im nächsten Jahr wird sich für Österreich zusätzlich und schlagartig um 15 Milliarden erhöhen, weil ein Teil der ASFINAG-, ÖBB- und BIP-Schulden jetzt nach Weisung von Brüssel plötzlich dazuzurechnen sind.

Das heißt, wir haben in Österreich jahrelang über diese Maastricht-Kennzahlen die Budgets gesteuert und dadurch erhebliche Fehlentwicklun­gen ausgelöst und in Kauf genommen. Die Ursache der ganzen Ausgliederung war ja seinerzeit 2001, 2002 dass man gesagt hat, Ausgliederung, dann sind die Schulden nicht mehr in Maastricht zu er­fassen und dann haben wir natürlich wesentlich günstigere Budgetkennzahlen. Einige Länder in der EU haben das natürlich übertrieben. Ich erwähne hier nur Griechenland. Dort sind nachträglich Zah­len zutage gekommen, die für die gesamte Ge­meinschaft der EU unerträglich waren.

Ein weiteres Problem kommt natürlich hinzu bei den Schuldengesellschaften, dass dort den Gemeinden gesagt wurde und zum Teil auch durchgeführt wurde, eine Umsatzsteuerrückvergü­tung. Nicht gesagt wurde, dass diese Umsatzsteu­errückvergütung vom eigenen Topf, nämlich von den gemeinschaftlichen Bundesabgaben bezahlt wird und sich die Gemeinden natürlich das alles selbst bezahlt haben.

Also diese Ausgliederung, das ist ein Verwal­tungsreformthema in Niederösterreich, das wir selbst in die Hand nehmen können. Und ich glaube, im Hinblick auf diese negativen Aspekte, die diese Ausgliederungen gebracht haben, ist es höchste Zeit, daran zu gehen, diese Ausgliederungen wie­der zurückzuholen in den Haushalt und erhebliche volkswirtschaftliche Kosten zu ersparen. Nämlich die Schulden! Dem Steuerzahler ist es egal, wo diese Schulden sind, wenn er haftet. Und wenn ich sie besser verwalten kann und natürlich einen besseren Überblick habe, dann ist es ver­nünftiger, das Ganze kompakt in einzelnen Budgets zu haben und einen Überblick.

Wir müssen endlich beginnen, diese Verwal­tungsreformaspekte umzusetzen. Natürlich gibt es darüber hinaus viele, viele Ansatzpunkte noch der Verwaltungsreform. Aber das sind Themen des Bundes und nicht des Landes.

Ich möchte aber doch einen Punkt erwähnen, wie dramatisch diese Verschuldung ist. Ich habe es bei einer Debatte bereits erwähnt, dass wir in etwa 10 Milliarden Zinsen zu zahlen haben in Österreich. Und 20 Prozent der Zinsen natürlich, weil 20 Pro­zent Bevölkerungsanteil die Niederösterreicher zahlen, dass wir eigentlich zwei Milliarden Wohl­standsverlust pro Jahr zu verzeichnen haben. Das ist natürlich auf die Dauer unerträglich und wir müssen dringendst schauen, dass wir diese Schul­den, das geht natürlich nur über einen mittelfristi­gen Zeitraum von 10, 15 Jahren, wieder hinunter bekommen.

Die Frage ist, machen wir jetzt einen Schnitt, machen wir jetzt eine Schuldenbremse? Denn die Frage ist, wie weit wollen wir sonst das Rad noch drehen? Also ich appelliere wirklich an die Abge­ordneten, beginnen wir sofort mit der notwendigen Verwaltungsreform! Schaffen wir sofort die notwen­dige Transparenz im eigenen Haus! Holen wir diese Schuldengesellschaften größtenteils zurück in den Haushalt und verwalten wir sie wesentlich effizien­ter als bisher.

Machen wir darüber hinaus, und das ist der nächste Punkt, ein transparentes Rechnungswe­sen, das eine Steuerung der Haushalte ermöglicht. Wir haben derzeit etwa tausend Haushalte in Nie­derösterreich. Wir brauchen einen einheitlichen Kontenrahmen, einheitliche Standards. Und wir brauchen auch eine Steuerung, die einer Steue­rungsfunktion und einer Dokumentationsfunktion über alle Haushalte in Niederösterreich dienlich ist.

Nehmen wir wieder die bis zu Kreiskys Zeiten beispielsweise geltende Schuldenbremse des or­dentlichen und außerordentlichen Haushaltes. Bis zu Kreisky wurden Schulden nur aufgenommen für den außerordentlichen Haushalt, für den Investiti­onshaushalt. Der seinerzeitige Staatssekretär Seidl hat die Seidl-Formel erfunden und da hat man ge­sagt, wir brauchen diese Schuldenbremse nicht mehr. Und seither explodieren diese Schulden exorbitant.

Das zweite ist natürlich das Thema der Spe­kulationen, das ist schon sehr ausgelutscht. Aber inzwischen, glaube ich, ist allen Abgeordneten klar, dass das ein Irrweg war. Wir sollen uns eigentlich nur darum kümmern, die Daseinsvorsorge für die Bürger zur Verfügung zu stellen und ich glaube, das ist der entscheidende Punkt einer jeden Budgetpolitik.

Das gegenständliche Budget stellt leider nach wie vor, weil keine Schuldenbremse, weil keine Reform der Eingliederung außerbudgetären Ein­heiten in Angriff genommen wurde, die Fortsetzung der bisherigen Haushaltspolitik dar. Ich appelliere dringendst: Gehen wir diese Dinge an und machen wir eine Schuldenbremse. Und reduzieren wir in den nächsten 10, 20 Jahren ähnlich wie andere Länder, wie die Schweiz, wie Deutschland, wie Schweden die Quote auf ein erträgliches Maß. Dankeschön! (Beifall bei FRANK.)

 

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